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Programmentwurf der Grünen verfehlt 1,5-Grad-Grenze deutlich

Das 1,5-Grad-Ziel kann mit der vorgeschlagenen Treibhausgasreduktion und den genannten Maßnahmen nicht erreicht werden.

 

Am Freitag, den 19. März 2021, haben Bündnis 90/Die Grünen ihren Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. Darin schreiben sie „Zentrale Grundlagen unserer Politik sind das Klimaabkommen von Paris sowie der Bericht des Weltklimarates zum 1,5-Grad-Limit, der verdeutlicht, dass jedes Zehntelgrad zählt, um das Überschreiten von relevanten Kipppunkten im Klimasystem zu verhindern.“ (Stand 20.03.2021, 23:43 Uhr).


Die Grünen hätten sich an anerkannten Studien [...] orientieren müssen — Prof. Martin Hundhausen

Die darauffolgenden Maßnahmen werden diesem Anspruch nicht gerecht. „Weder das Ziel den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 70 % zu reduzieren noch die konkreten Maßnahmen, z.B. für den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Mobilitätswende, sind kompatibel mit der 1,5-Grad-Grenze. Die Grünen hätten sich an anerkannten Studien, wie der Studie des Wuppertal Instituts [1] und dem Handbuch Klimaschutz [2] orientieren müssen. Denn dort ist beschrieben, was für die 1,5-Grad-Grenze zu tun ist.“, sagt Prof. Dr. Martin Hundhausen, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Die wichtigsten Kritikpunkte der Klimaliste sind:

  1. Bei einer Reduktion des deutschen CO2-Ausstoßes bis 2030 um lediglich 70 % wie von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen, gesteht sich Deutschland pro Kopf in etwa den doppelten Ausstoß zu, wie dem durchschnittlichen Menschen weltweit (vgl. Handbuch Klimaschutz, S. 25). Auf die Menge noch auszustoßender Treibhausgase legt sich der Programmentwurf nicht fest. Das Wahlprogramm liefert auch keine konkreten Meilensteine für ihren „1,5-Grad-Pfad“.

  2. Es ist nicht korrekt, dass ein hoher CO2-Preis sozial ungerecht ist. [3] Menschen mit einem geringen Einkommen verursachen im Durchschnitt erheblich weniger CO2. Bei einer anteiligen Umlage des CO2-Preises würden Haushalte mit niedrigem Einkommen profitieren. Beispielsweise hat Schweden bereits 1991 einen CO2-Preis eingeführt, der 2019 insgesamt 113,80 € betrug. Alle Bürger*innen werden durch die Absenkung der Lohn- und Energiesteuer entlastet. [4] Um Planungssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten und so Investitionen zu fördern muss die Entwicklung des CO2-Preises transparent vorgegeben werden. Dies fehlt.

  3. Die Ausbauziele für die erneuerbaren Energien im Programmentwurf stellen die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels nicht sicher. Mit den angegeben Ausbauzielen für Windenergie müsste ein Zubau der Photovoltaik mindestens 17 GW bzw. über 25 GW [2] pro Jahr betragen. Diese Ausbauraten sind mit den angegebenen Maßnahmen unwahrscheinlich. Außerdem fehlen essenzielle konkrete Maßnahmen zur Kombination von Landwirtschaft und Photovoltaik (Agri-Photovoltaik). Diese muss als sogenanntes privilegiertes Vorhaben eingestuft werden, um gesetzliche Hürden zu senken.

  4. Laut der Studie des Wuppertal Instituts sollte Deutschland bis spätestens 2035 klimaneutral sein. [1] Kraftfahrzeuge bleiben jedoch durchschnittlich 10 Jahre im Verkehr, weshalb spätestens ab 2025 keine Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden dürfen. 2030, wie von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen, ist hier also deutlich zu spät.

Die Maßnahmen reichen leider bei weitem nicht aus, um die so wichtige 1,5-Grad-Grenze einhalten zu können — Beatrice Bednarz

Diese Punkte zeigen die Lücke zwischen dem Anspruch und der tatsächlichen Wirksamkeit des Programmentwurfs von Bündnis 90/Die Grünen. „Die Maßnahmen reichen leider bei weitem nicht aus, um die so wichtige 1,5-Grad-Grenze einhalten zu können und das Erreichen von Kippunkten zu verhindern. Ich bin schockiert, dass auch die Grünen die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ernst nehmen.“, sagt Beatrice Bednarz, Physikdoktorandin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

 

Fußnoten / Quellen:


[1] Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (2020): CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze. Diskussionsbeitrag für Fridays for Future Deutschland mit finanzieller Unterstützung durch die GLS Bank. 2. korrigierte Auflage. Wuppertal.

[2] Hentschel, K.-M. (2020): Handbuch Klimaschutz. Wie Deutschland das 1,5-Grad-Ziel einhalten kann. München, Oekom Verlag.

[3] „Wollte man die Klimaziele allein über die Bepreisung von CO2 erreichen, müsste der Preis 180 Euro betragen, was unweigerlich zu erheblichen sozialen Unwuchten führen würde“. Programmentwurf Bündnis 90/Die Grünen, S. 12

[4] https://germanwatch.org/sites/germanwatch.org/files/Germanwatch-CO2-Preise-EU-G20_0.pdf (21.02.2021)

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